18. September 2020
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24 Stunden Pflege muss voll bezahlt werden, entschied das Arbeitsgericht Berlin

Wenn Sie Menschen rund um die Uhr betreuen, sollten Sie das unbedingt lesen. Unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht setzten Ihre Lohnansprüche bundesweit für Sie durch!

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 17.08.2020 – Az.: 21 Sa 1900/19) stoppt die Ausbeutung in 24-Stunden Pflegeberufen. Eine Vollzeitpflege muss mit 21 Stunden und nicht nur mit 8 Stunden bezahlt werden.

Das Gericht urteilte, dass die betroffene Arbeitnehmerin, eine Frau aus Bulgarien, die eine 96-jährige hilfsbedürftige Dame rund um die Uhr betreute auch die tatsächliche Arbeitszeit vergütet bekommen muss. Klingt auf den ersten Blick selbstverständlich, ist es aber in der Realität oftmals nicht.

Im vorliegenden Fall war es nämlich so, dass bereits die in Bulgarien ansässige Vermittlungs-Agentur mit dem Slogan „24 Stunden Pflege zu Hause“ geworben hatte. Der Arbeitsvertrag der eingesetzten Mitarbeiterin sah jedoch eine Vergütung nur für eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden vor, für eine umfassende Betreuung mit Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führung des Haushalts und Gesellschaftsleisten.

Gleiches stand dann auch im Betreuungsvertrag, der mit der zu versorgenden Seniorin abgeschlossen worden war. Die Klägerin war gehalten, in der Wohnung der zu betreuenden Dame zu wohnen und zu übernachten.

Ausbeutung der Pflegekraft

Tatsächlich kam es aber so, wie es zu erwarten war: Die Pflegerin arbeitete von 6 Uhr morgens bis spät in die Nacht (teils bis 23.00 Uhr) – täglich. Hinzu kam, dass sie sich nachts bereithalten musste, um der Seniorin bei Bedarf helfen zu können. Deshalb war sie der Ansicht, dass sie auch entsprechend vergütet werden muss. Der Arbeitgeber war jedoch anderer Meinung und berief sich auf die arbeitsvertraglich geregelten 30 Wochenstunden. Darüber hinaus wollte er keinen Arbeitslohnzahlen, sodass es zum Streit vor Gericht kam.

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24 Stunden Pflege muss mit 21 Stunden bezahlt werden

Das Gericht sprach der Klägerin den geforderten Mindestlohn für die Zeit von 21 Stunden täglich zu. Begründet wurde das damit, dass die vereinbarte Arbeitszeit von 30 Wochenstunden treuwidrig sei. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Agentur eine umfassende Betreuung zugesagt hat und dementsprechend die Verantwortung sowohl für die Betreuung als auch die Einhaltung der Arbeitszeit der Klägerin übertragen hat. Dies war nach Einschätzung des Gerichts jedoch nicht rechtens, da das Arbeitszeit-Management Aufgabe des Arbeitgebers ist. Unter Berücksichtigung der versprochenen Leistung für die Seniorin, seien die 30 Stunden pro Woche von vornherein unrealistisch gewesen. Daher habe die Klägerin Anspruch auf 21 Stunden bezahlte Arbeit am Tag. Die geleistete Arbeitszeit in der Nacht, sowie der vergütungspflichtige Bereitschaftsdienst seien zu berücksichtigen gewesen. Es sei der Klägerin lediglich zumutbar gewesen, sich 3 Stunden am der Tag Arbeit zu entziehen, sodass sie nicht die vollen 24 Stunden vergütet bekommen hat. Die Revision wurde zugelassen.

Was das Urteil für Sie als deutsche oder ausländische Pflegekraft bedeutet

Dieses sehr arbeitnehmerfreundliche Urteil dürfte dafür sorgen, dass die Ausbeutung, insbesondere osteuropäischer Frauen, ein Ende nimmt. Betroffenen Pflegekräften ist aus unserer Sicht zu raten, Klage auf Lohnnachzahlungen zu erheben. Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, muss die Vergütung mindestens den Mindestlohn von derzeit 9,35 € betragen. Bei einer tatsächlichen 24-Stunden Betreuung würde dies einen Bruttolohn von 6700 € entsprechen. Um die Arbeitszeiten gerichtsfest beweisen zu können, raten wir Ihnen die Dauer der Tätigkeit zu dokumentieren.

Fachanwälte für Arbeitsrecht helfen Ihnen bundesweit

Gerne unterstützen wir Sie bei der Durchsetzung ihrer berechtigten Ansprüche gegen Ihren Arbeitgeber. Wir sind eine auf das Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei. Wir versuchen zunächst eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Sollte uns das nicht gelingen, klagen wir für Sie vor Gericht. Das wegweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg stärkt uns dabei den Rücken für einen aussichtsreichen Prozess.

Unsere Anwälte und Mitarbeiter beraten und vertreten Sie in deutscher, polnischer, türkischer, russischer und englischer Sprache.

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